17 November 2006

Parlez-you deutsch?

oder: Mein erster Kontakt mit dem schwedischen Gesundheitssystem

Da ich aus gesundheitlichen Gründen heute nicht in die Uni gehe, bleibt mir etwas Zeit für einen ausführlichen Bericht:

Wie schon letzten Winter hat sich bei mir mal wieder eine hartnäckige Erkältung eingenistet. Und zwar in meinen Kieferhöhlen, wo sie sich dann in einer Empfindlichkeit gegenüber kaltem Wind sowie ab und zu leichten Zahnschmerzen bemerkbar machte. Bis Mittwoch, als aus den leichten dann starke Schmerzen wurden. Die übliche Behandlung mit Nasenspray und Schleimlöser war nicht erfolgreich, das Aspirin half auch nicht. Abends habe ich dann eine volle Dosis Novalgin (ein starkes Schmerzmittel) genommen und beschlossen, am nächsten Morgen ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Leider hat auch das Novalgin nicht wirklich geholfen, so daß ich erst um 6 schlafen konnte.

Am Donnerstag war ich dann um 13.00 Uhr bei der nahegelegenen Vårdcentral, einer Art Ärztehaus. Dort empfing mich eine Arzthelferin. Einen Termin konnte sie mir nicht geben, sowas können nur die Krankenschwestern. Ich solle doch um 15:00 wiederkommen. Gesagt getan.

Um 15:00 konnte ich dann mit der Schwester sprechen (englisch/schwedisch), die sich meine Beschreibung anhörte und auch meinte, ich müsse einen Arzt sehen. Leider konnte sie mir keinen Notfalltermin mehr anbieten, da alles ausgebucht war. Ich könnte aber am nächsten Morgen wiederkommen. Alternativ solle ich bei der zentralen Nummer der Sjukvårdsrådgivning (Krankenpflege-Ratgeberhotline, in ganz Schweden unter 1177 erreichbar) anrufen. Dort bekam ich tatsächlich einen Termin für 20:20 Uhr.

Um acht war ich in der Stadt, ging in den 6. Stock eines Krankenhauses. Das ganze kam mir vor wie in einem Computerspiel: Leere lange Korridore, irgendwo in der Ferne läuft ein Fernseher, den man nur verzerrt hören kann, in einem Raum lagen Kinderspielsachen verstreut... Ich erwartete jeden Moment einen angreifenden Zombie/Alien...

Zu meiner Erleichterung wurde mein Klingeln dann allerdings von einer gewöhnlichen Krankenschwester (schwedisch Sjuksköterska, sprich Chükchöterschka) beantwortet, die sogar die Akte vorliegen hatte, die bei meinem Anruf angelegt worden war. Nach einiger Konfusion um meine "Personnummer" (Was sind die letzten drei Ziffern ihrer Personnummer? - 396 - Das stimmt nicht! - Wie bitte??), akzeptierte sie, daß ich tatsächlich "Floren Battke, 25, weiblich" war (Offenbar ist da beim Telefongespräch einiges schiefgelaufen...). Ich durfte die Praxisgebühr von 180 Kronen (20 EUR) zahlen und im Wartezimmer platznehmen. In Schweden kostet jeder Arztbesuch erstmal 120 Kronen (tagsüber) oder 180 (nachts), allerdings muß niemand mehr als 600 Kronen im Jahr zahlen.

Dort holte mich der Arzt dann persönlich ab und fragte mich, welche Sprache ich bevorzugen würde. Ich meinte dann (auf schwedisch), daß ich mein Problem auf Schwedisch nicht erklären kann, da meinte er, er würde gerne sein Deutsch üben. Im Endeffekt haben wir uns dann sehr nett auf Deutsch, Englisch, Schwedisch und Französisch (!) unterhalten und kamen (wie erwartet) zu dem Schluß, daß ich Penicillin nehmen sollte. Da die Apotheken schon zu hatten, bekam ich sogar einige Tabletten mit, so daß ich erst für heute Abend neue kaufen muß. Nach 20 Minuten hatte ich das Krankenhaus wieder verlassen. (Man vergleiche das mit der Zeit, die mein Auto in der Werkstatt verbringt... Momentan wird übrigens der Vergaser verdächtigt.)

Was ich gelernt habe: In Uppsala gibt es 80 Ärzte, jeder von ihnen hat zwei Mal im Monat Notdienst, aber nicht bei sich daheim sondern in der Husläkarakuten (Hausarzt-Akut-Dings). Kieferhöhleninfektion (Sinusitis) heißt auf schwedisch Bihåleinflammation und was auf den ersten Blick wie das Gesundheitssystem eines Drittweltstaats wirkt, entpuppt sich, sobald man versteht wie es funktioniert, doch als funktionierendes System.