Am Freitag schreiben wir die nächste Klausur, daher könnte man meinen, daß all unsere Energie ins Lernen gesteckt wird. Andererseits wollen wir ja auch die Zeit hier in Schweden nutzen, um typisch schwedische Dinge zu tun. Oder zumindest, um Spaß zu haben. Daß auch das ganz schön anstrengend sein kann, zeigt dieses Wochenende:
Freitag abend um 8 ging es los mit einem schönen Abendessen bei Sabine (mit Alia, ihrer Freundin Karin, Sabines deutschem Mitbewohner Andreas, ihrer georgischen Mitbewohnerin Marina, Sabine, Nastasja und mir). Um halb drei Uhr nachts hab ich mich dann verabschiedet, weil ich zumindest noch ein paar Stunden schlafen wollte.
Samstag morgens kurz vor 9 mit fünfeinhalb erholsamen Stunden Schlaf aufgestanden. Auto getestet, springt an! Nastasja, Sabine, Lars und Sabines Freundin Annika eingepackt und los gings: Wir wollten "ans Meer rausfahren". Und damit Nastasja und ich nicht schon wieder nach Öregrund müssen, haben wir uns ein neues Ziel ausgesucht:
Gävle.
Gävle liegt nur gut 100km nördlich von Uppsala. Leider ist die Autobahn dorthin noch nicht ausgebaut, daher braucht man etwa 2 Stunden dorthin. In Gävle haben wir erst einmal einen kleinen Stadtrundgang gemacht.
Gävle hat noch einige Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Dann haben wir alle Sehenswürdigkeiten abgelaufen: Die Einkaufsstraße, das Rathaus, die Dreifaltigkeitskirche und schließlich: Das Schloß
Nachdem wir uns einige Zeit über die Häßlichkeit des Schlosses gewundert hatten ("Sieht ja aus wie ein Gefängnis!"), stellten wir dann fest, daß wir tatsächlich das ehemalige Gefängnis (heute ein Museum) bewundert hatten. Das echte Schloß von Gävle ist nämlich viel schöner:
Das Schloß von Gävle Eine weitere Sehenswürdigkeit in Gävle ist der
Julbock (Weihnachtsbock, eigentlich das Tier, das Thors wagen zog), der seit 40 Jahren jedes Jahr auf dem Marktplatz aufgebaut wird und traditionell von unbekannten in Brand gesteckt wird, obwohl die Polizei versucht, dies zu verhindern.
Aber eigentlich wollten wir ja ans Meer fahren, also konnten wir nicht lange in Gävle bleiben. Unser eigentliches Ziel lag noch 13km weiter: Bönan. Ein kleiner Fischerort an der Ostsee, der im Winter wie ausgestorben daliegt. Aber das Meer war schön.
Dann mußten wir auch schon wieder los. Auf der Rückfahrt haben wir noch die fantastische Attraktion "
Gävle Bro" (Gävlebrücke) besucht und dort einen Kaffee getrunken. Das fantastische an der Gävlebrücke ist erstens, daß es sich um eine Autobahnraststätte handelt und zweitens, daß
diese die Autobahn wie eine Brücke überspannt! Unglaublich!!
Schließlich erreichten wir Uppsala in völliger Finsternis um vier Uhr nachts -
nein, entschuldigung - es war erst vier Uhr
nachmittags. Damit ergibt sich für den Ausflug ein etwas seltsames (schweden-typisches?) Verhältnis von Fahrt- zu Besichtigungszeit: 4 Stunden sind wir im Auto gesessen, 40 Minuten waren wir in Gävle und nochmal 30 in Bönan. Warum die Eile?
Um fünf Uhr wollten wir (Sabine, Nastasja und ich) nämlich bei der
Luciagasque in Kalmars Nation sein. Eine Gasque ist ein besonderes Abendessen, das gleichzeitig formal aber auch wie eine Festsitzung im Karneval ist. Diese Gasque wurde zur Feier des schwedischen
Luciafestes ausgerichtet.
Eine kleine Übersicht über den Abend (von 18 bis 1 Uhr): Zunächst einmal gab es einen Stehempfang mit
Glögg (schwedischer Glühwein mit Rosinen und Mandeln drin). Dann wurden wir zu Tisch gebeten, wo schon unsere Vorspeise wartete, zusammen mit Platzkärtchen aus Lebkuchen (mit fast richtiger Schreibweise):
Und damit begann der Festsitzungsteil des Abends: Sobald man eine Gabel Essen im Mund hat, klingelt ein Glöckchen und man muß die Gabel weglegen, damit man gemeinsam sinnfreie Lieder singen kann (die man nur als Nationsmitglied kennt). Wenn das Lied gesungen ist, wird einander mit Schnaps zugeprostet. Endlich greift man wieder zur Gabel und schon stampft jemand mit einer Holzstandarte auf den Boden. Alles verstummt und der erste Redner wird angekündigt, der sich dann über Nationsinterna verbreitet, während die ausländischen Gäste auf ihr Essen starren.
Ah, fertig. Applaus. Dann wird jede Rede mit einem kurzen Lied abgeschlossen, daß eine Art Frage- und Antwortspiel zwischen Saalgesellschaft und Redner darstellt. Man prostet sich zu und trinkt einen Schluck Schnaps, Julbier, Wasser oder von einer etwas gewöhnungsbedürftigen Mischung aus Portwein, Bier und Kardamom. Man nimmt die Gabel in die Hand. Das Glöckchen klingelt. *seufz*
Wir haben es dann allerdings zum Hauptgang geschafft. Ein riesiges Buffet wurde aufgebaut samt einem separatem Buffet für Vegetarier (mit mehr als 10 unterschiedlichen Speisen). Allergiker bekamen kleine Zettel auf denen ihre "verbotenen" Speisen aufgelistet waren. Wie das bei einem Buffet so ist, muß man sich natürlich von allem etwas nehmen. Entsprechend voll waren die Teller, entsprechend lange dauerte dann auch das Essen. Hier waren die Unterbrechungen (Glöckchen, Stampfer) dann fast schon willkommen, damit man mal vom Essen ablassen konnte.
Eine wirklich schöne Unterbrechung war der Auftritt der Lichtbringerin Lucia mit brennenden Kerzen auf dem Kopf (und das soll ein christliches Ritual sein!), samt Chor, der mindestens 10 Lieder mehrstimmig und sehr schön vorgetragen hat.
Als wir mit dem Hauptgang fertig waren, gab es zur Erfrischung einen Tanz in langer Kette durch die Straßen zu Upplands Nation, die auch grad beim gasquen war.
Einmal durch deren Festsaal getanzt, daß kalmarer Nationenlied gesungen und wieder zurück zum eigenen Festsaal, in dem inzwischen das Dessertbuffet aufgebaut war. Und wie schon das Hauptbuffet war auch dieses sehr vielseitig: Zweierlei Arten Reisbrei, Mandarinen, Orangen, After Eight,
Lussebullar (Safrangebäck), zwei Arten selbstgemachte Karamelbonbons, Eisschokolade, Feigen, Datteln, warmer Käsekuchen mit Sahne. Natürlich gab es auch zum Nachtisch Reden und Lieder, aber diesmal mit dem Unterschied, daß man nun zum Singen und Zuprosten
auf den Stühlen stand. Insgesamt haben wir wohl 10 Reden gehört und 15 Lieder gesungen (oder zumindest dabeigesessen).
Total überfressen mit gewölbten Bäuchen haben wir schließlich den Festsaal den fleißigen Küchenhelfern überlassen und uns in den ersten Stock zurückgezogen, wo Kaffee serviert wurde (der leider nicht die erhoffte Linderung brachte).
Von links nach rechts:
Die Königin der Unoten, Graf Dracula und NastasjaNach einer knappen Stunde beim Kaffee (kein Glöckchen, keine Reden), ging es dann runter in den Keller des Nationshauses, in dem eine Liveband zum Tanz aufspielte.
Leider war ich inzwischen so müde, so voll und so unzufrieden mit der Paßform meiner schicken Schuhe, daß ich es nur noch eine halbe Stunde ausgehalten habe. Aber der Tag war dann auch voll genug ;) Um halb drei war ich im Bett.
Um zur Einleitung zurückzukommen. Lernen. Das könnte ich ja dann heute tun. Dummerweise habe ich erstmal bis um 12 geschlafen und dann anderthalb Stunden mit diesem Blogeintrag verbracht. Um drei bin ich eigentlich zum Plätzchenbacken in der Nation verabredet... aber ich kann nichts Süsses mehr sehen!
Nachtrag: Das Backen muß leider aus akutem Wäschemangel ausfallen. Bis auf weiteres bin ich in der Waschküche.